Damit Menschen Objekte in der Nähe und in der Ferne klar erkennen, am Computer arbeiten und sich in der Umgebung orientieren können, leistet das Sehorgan jeden Tag Großartiges. Das ausgeklügelte System aus Hornhaut, Linse und vielen weiteren oft winzig kleinen Bestandteilen leitet optische Reize in das Gehirn weiter und ein klares Bild entsteht. Dass man sehen kann, nimmt jeder für Selbstverständlich hin. Wie sehr schlechte Sicht oder andere Augenprobleme den Alltag beeinträchtigen merkt man erst wenn es zu Schwierigkeiten kommt. Bei manchen sind Augenprobleme angeboren, andere wiederum entwickeln sich erst in zunehmendem Alter. Natürliche Prozesse im Körper führen dazu, dass auch die Sehleistung bei der älteren Generation nicht mehr so gut ist wie in jungen Jahren. Doch nicht immer machen die Linse, die Binde- oder Hornhaut Probleme, auch die Augenlider spielen eine entscheidende Rolle, damit das ausgeklügelte System Auge einwandfrei funktioniert.
Welche Aufgabe hat das Augenlid?
Beim Augenlid handelt es sich um die bewegliche Hautfalte, die ober und über dem Auge liegt. Das obere Lid begrenzt die Augenbraue zur Stirn, es ist mit Wimpern besetzt. Sie verhindert ein Eindringen von Schweiß in den Sehkörper. Wer sich beim Sport verausgabt oder im Sommer stark schwitzt wird schon bemerkt haben, dass der Schweiß am Auge vorbei die Wange hinunterrinnt. Das obere Lid ist bei offenem Auge durch eine Deckfalte überlagert. Diese fehlt beim unteren Lid.
Dem Augenlid werden wichtige Aufgaben für das Sehorgan zuteil:
- Es schützt das Auge auf natürliche Weise vor dem Eindringen von Fremdkörpern. Bei starkem Wind oder Regen schließt es sich automatisch: Staub und andere feine Partikel werden durch diesen Mechanismus abgehalten.
- Der Lidschlag ist ganz essentiell für das Auge: Im Normalfall schließt sich das Lid 10 bis 15 Mal pro Minute. Dabei wird die Hornhaut mit Tränenflüssigkeit benetzt. Da die Hornhaut nicht mit Blutgefäßen verbunden ist, erfolgt die Versorgung mit Nährstoffen ausschließlich über das Tränensekret.
- Das Augenlid schützt das Auge außerdem vor Berührungen: Jeder Kontaktlinsenträger kennt den Reflex: Sobald man sich mit der Linse dem Auge nähert, klappt es scheinbar automatisch zu. Es bedarf einiger Übung, bevor das Einsetzen klappt.
Das Augenlid erfüllt also für das Sehorgan wichtige Aufgaben. Ist es nicht ganz funktionstüchtig, können schwerwiegende Folgen auf die Sehleistung auftreten. Eine der häufigen Probleme ist die Augenlidsenkung.
Worum es sich bei einer Augenlidsenkung handelt
Der medizinische Fachbegriff für die Augenlidsenkung Ptosis leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet übersetzt so viel wie „Fall“. Das ist auch treffend, denn bei einer Lidrandsenkung hängt das Oberlid von einem oder beiden Augen herab. Manche Neugeborene kommen mit einer Ptosis zur Welt. Sie leiden in den meisten Fällen an einer Fehlentwicklung des Levatormuskels. Er ist dafür verantwortlich, das Oberlid an der richtigen Position zu halten. Auch Tumoren an den Lidern oder bestimmte neurologische Erkrankungen können Ursachen für die angeborene Ptosis sein.
Eine Augenlidsenkung kann sich jedoch auch im Laufe des Lebens erst entwickeln. Einer der Gründe dafür ist, dass der Ansatz des Levatormuskels mit fortschreitendem Alter nach oben rutschen kann. Der Muskel funktioniert an und für sich gut, er hebt nur das Augenlid nicht mehr auf die korrekte Höhe an. In diesem Fall sieht es so aus, als ob das Auge eingesunken ist. Eine Augenlidsenkung kann eine natürliche Begleiterscheinung des Alters sein. Bei Frauen sinkt nach den Wechseljahren der Östrogenspiegel ab. Das Hormon sorgt dafür, dass das Bindegewebe elastisch bleibt, ist zu wenig davon vorhanden wird das Bindegewebe schlaff. Das macht sich auch am Augenlid bemerkbar. Das Risiko an einer Augenlidsenkung zu erkranken erhöht auch das Tragen harter Kontaktlinsen. Sie führen nämlich zu einer unnatürlichen Dehnung des Levatormuskels. Ungefähr 10 Prozent aller Träger harter Kontaktlinsen erleiden bei häufigem Gebrauch innerhalb von 10 Jahren eine Lidrandsenkung. Manchmal können auch Unfälle oder schwere Erkrankungen Auslöser für eine Ptosis sein. War das Augenlid über einen längeren Zeitraum geschwollen, wird auch die Muskulatur in Mitleidenschaft gezogen.
Die Diagnose einer Lidrandsenkung
Eine Augenlidsenkung ist weit mehr als nur ein kosmetisches Problem. Es beeinträchtigt – je nach Ausprägung – die Lebensqualität enorm. Immerhin schränkt das herabhängende Oberlid das Sichtfeld ein, da es die Pupille zumindest zum Teil bedeckt. Betroffene versuchen zunächst meist, mit einer anderen Körperhaltung das Problem auszugleichen. Sie neigen den Kopf, heben das Kinn an und möchten damit dem Augenproblem entgegenwirken. Dass das über einen längeren Zeitraum zu weiteren gesundheitlichen Beschwerden führt, liegt auf der Hand. Der ständig in den Nacken gelegte Kopf und die schiefe Haltung verursacht Schulter- und Rückenprobleme.
Wer bemerkt, dass das sich das Augenlid nicht mehr in der natürlichen Position befindet, vereinbart besser einen Termin beim Augenarzt. Der Mediziner nimmt zunächst die Anamnese auf und fragt wie lange das Problem bereits besteht, ob es Vorerkrankungen gibt und ob in der Familie bereits Fälle von Augenlidsenkungen bekannt sind. Relevant ist auch, ob das Lid im Tagesverlauf stärker absinkt. Dann könnte es sich nämlich um die Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis handeln. Dabei kommunizieren Muskeln und Nerven nicht mehr korrekt miteinander, die damit verbundene Muskelschwäche kann auch den Levatormuskel betreffen. Diagnostiziert werden diese Erkrankungen unter anderem durch den Simpson Test: Dabei richtet der Patient zumindest eine Minute lang den Blick extrem nach oben. Sinkt das Oberlid langsam ab, ist eine schwere Muskelerkrankung, wie zum Beispiel Myasthenia gravis nicht auszuschließen.
Im Anschluss an ein umfangreiches Arztgespräch erfolgt die Untersuchung: Hängt nur eines der beiden Lider herab, kann es sich um eine Nervenschädigung handeln. Sind beide Lider betroffen, ist eine Muskelschwäche wahrscheinlich. Im Rahmen der Untersuchung misst der Arzt auch mit einer Skala die Veränderung der Lidspalte. Gibt es einen Verdacht auf einen Tumor, erfolgt die Überweisung zur Computertomographie oder zum MRT.
Bei einer angeborenen Ptosis raten Ärzte meistens zu einer raschen Operation. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich das Problem negativ auf die Sehleistung des Kindes auswirkt. Zwei Operationsmethoden kommen bei einer Ptosis zum Einsatz: Bei einer Levator-Resektion wird der Muskel ein Stück gekürzt. Diese Technik kommt dann in Frage, wenn der Muskel noch relativ gut funktioniert. Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose. Ist der Levatormuskel schon stark geschwächt und kommt eine Verkürzung nicht in Frage, bietet sich als Alternative die Frontalis-Suspension an. Hinter dem Fachbegriff verbirgt sich eine ausgeklügelte Operationsmethode: Zunächst werden kleine Einstiche über den Augenbrauen gemacht, durch die eine Schlinge eingeführt wird. Sie hilft dabei, das Oberlid in die gewünschte Position zu geben. Bei einer erworbenen Ptosis empfehlen Ärzte meistens, zumindest sechs Monate mit einer Operation zu warten. In manchen Fällen bildet sich die Augenlidrandsenkung nämlich von alleine wieder zurück.